Vier Buchempfehlungen für gemütliche Lesestunden in der dunklen Jahreszeit. Vorgestellt – in aller Kürze – werde die Neuerscheinungen: „Der Ursprung der Welt“ von Ulrich Tukur, „Tante Martl“ von Ursula März, „Ich, Unica“ von Kirstin Reffstrup und das Buch „Alle wollen was erleben“ von Fabian Hischmann.
Ich, Uncia von Kirstine Reffstrup
Ich, Unica, von Kirstine Reffstrup (Nord Verlag). Mehr als einen Roman, möchte ich das literarische Debüt der norwegischen Schriftstellerin ein Prosagedicht nennen. Ins Deutsche übertragen wurde es von Elke Ranzinger. Reffstrup verleiht der Zeichnerin und Schriftstellerin Unica Zürn, die sich, nach langen Episoden der paranoiden Schizophrenie, 1970 in Paris das Leben nahm, in ihrer „literarischen Fantasie“ eine Stimme. Es ist 1957 und Unica lebt mit ihrem Mann, dem Künstler, Hans Bellmer in einem Haus im französischen Ermenonville. Einerseits blickt die Erzählerin zurück auf ihr Leben in Berlin und Paris, gleichzeitig jedoch ist sie eine wachsame Chronistin ihrer Gegenwart: Moment, Gefühle – alles wird, gleich dem Blick durch ein Vergrößerungsglas, beschrieben. Es gelingt Reffstrup auf subtile Weise bereits die Züge der schweren Krankheit, die der Erzählerin in der Zukunft bevorsteht, in den Text einzuweben. Reffstrups Prosa zeichnet sich durch eine schlichte Schönheit und eine melancholische Eleganz aus. Jeder Absatz lädt zum Verweilen ein, jeder Absatz trennt mehr und mehr den Raum von der Zeit, bis man, wie die Erzählerin, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schwebt.
Tante Martl von Ursula März
Tante Martl, von Ursula März (Piper). Tante Martl ist unverheiratet, Volksschullehrerin, nie aus ihrem kleinen westpfälzischen Dorf herausgekommen und noch dazu eine große Enttäuschung für ihren Vater, der mit drei Töchtern gesegnet war, sich jedoch immer nur Jungs gewünscht hat. Über ihre Geburt hinaus war der Vater nicht bereit, Martl als Mädchen anzuerkennen und meldete das Kind kurzer Hand auf dem Amt als Jungs, als Martin, an. Diese Ungeheuerlichkeit setzte Tante Martl zeitlebens zu. Das Besondere an diesem Roman, ist die wunderbare Erzählstimme, mit der die Lebensgeschichte von Tante Martl retrospektiv, aus der Perspektive der Nichte, geschildert wird. Ursula März‘ Roman aus der Hand zu legen, nachdem man ihn einmal begonnen hat, ist nahezu unmöglich. Der mitunter lakonische Erzählstil ist fesselnd, wie es sonst nur gute Thriller sind.
Alle wollen was erleben: Stories von Fabian Hischmann
Alle wollen was erleben: Stories, von Fabian Hischmann (Berlin Verlag). Dreizehn Kurzgeschichten finden sich zwischen den Deckeln des dritten Buches von Fabian Hischmann, dessen Debütroman Am Ende schmeißen wir mit Gold (2014) für den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde und dessen Kurzgeschichten bereits in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht wurden. Die dreizehn in diesem Buch versammelten Stories erzählen in knapper, schnörkelloser Sprache von Menschen aller Couleur, die an der Gegenwart leiden, die verzweifeln, und auf der Suche nach neuen Lebensentwürfen sind. Sophie etwa, die früher Benedyct hieß und unglücklich in ihren ältesten und besten Freund verliebt ist. Hischmann schreibt keine Suspense-Stories, sondern erzählt Geschichten, die sich so oder so ähnlich überall auf der Welt zutragen könnte und daraus ihre Aktualität und Wichtigkeit schöpfen.
Der Ursprung der Welt von Ulrich Tukur
Der Ursprung der Welt, von Ulrich Tukur (Fischer). Die Bücher von Ulrich Tukur sind so außergewöhnlich, exzentrisch und genial, wie die Rollen, die der Schauspieler, Musiker und Autor im Fernsehen spielt. Auf Die Spieluhr folgt nun sein neuer Roman Der Ursprung der Welt, eine Dystopie, ersonnen vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen. In Deutschland und in ganz Europa sind die Zustände im Jahr 2033 chaotisch, nationalistische Parteien sind die an die Macht gekommen, Frankreich hat sich zu einem totalitären Überwachungsstaat entwickelt. Paul Goullet scheint hier wie aus der Zeit gefallen, er liebt Kunst, Bücher und Musik. Dem Leben in Deutschland überdrüssig, reist er nach Paris und findet dort ein altes Fotoalbum aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, das sein Leben verändern wird, denn die Fotos darin zeigen offensichtlich ihn selbst.
Alle Bücher sind Rezensionsexemplare und wurden mir kostenfrei zur Verfügung gestellt.
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Vier Buchempfehlungen für gemütliche Lesestunden in der dunklen Jahreszeit. Vorgestellt – in aller Kürze – werde die Neuerscheinungen: „Der Ursprung der Welt“ von Ulrich Tukur, „Tante Martl“ von Ursula März, „Ich, Unica“ von Kirstin Reffstrup und das Buch „Alle wollen was erleben“ von Fabian Hischmann.
Ich, Uncia von Kirstine Reffstrup
Ich, Unica, von Kirstine Reffstrup (Nord Verlag). Mehr als einen Roman, möchte ich das literarische Debüt der norwegischen Schriftstellerin ein Prosagedicht nennen. Ins Deutsche übertragen wurde es von Elke Ranzinger. Reffstrup verleiht der Zeichnerin und Schriftstellerin Unica Zürn, die sich, nach langen Episoden der paranoiden Schizophrenie, 1970 in Paris das Leben nahm, in ihrer „literarischen Fantasie“ eine Stimme. Es ist 1957 und Unica lebt mit ihrem Mann, dem Künstler, Hans Bellmer in einem Haus im französischen Ermenonville. Einerseits blickt die Erzählerin zurück auf ihr Leben in Berlin und Paris, gleichzeitig jedoch ist sie eine wachsame Chronistin ihrer Gegenwart: Moment, Gefühle – alles wird, gleich dem Blick durch ein Vergrößerungsglas, beschrieben. Es gelingt Reffstrup auf subtile Weise bereits die Züge der schweren Krankheit, die der Erzählerin in der Zukunft bevorsteht, in den Text einzuweben. Reffstrups Prosa zeichnet sich durch eine schlichte Schönheit und eine melancholische Eleganz aus. Jeder Absatz lädt zum Verweilen ein, jeder Absatz trennt mehr und mehr den Raum von der Zeit, bis man, wie die Erzählerin, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schwebt.
Tante Martl von Ursula März
Tante Martl, von Ursula März (Piper). Tante Martl ist unverheiratet, Volksschullehrerin, nie aus ihrem kleinen westpfälzischen Dorf herausgekommen und noch dazu eine große Enttäuschung für ihren Vater, der mit drei Töchtern gesegnet war, sich jedoch immer nur Jungs gewünscht hat. Über ihre Geburt hinaus war der Vater nicht bereit, Martl als Mädchen anzuerkennen und meldete das Kind kurzer Hand auf dem Amt als Jungs, als Martin, an. Diese Ungeheuerlichkeit setzte Tante Martl zeitlebens zu. Das Besondere an diesem Roman, ist die wunderbare Erzählstimme, mit der die Lebensgeschichte von Tante Martl retrospektiv, aus der Perspektive der Nichte, geschildert wird. Ursula März‘ Roman aus der Hand zu legen, nachdem man ihn einmal begonnen hat, ist nahezu unmöglich. Der mitunter lakonische Erzählstil ist fesselnd, wie es sonst nur gute Thriller sind.
Alle wollen was erleben: Stories von Fabian Hischmann
Alle wollen was erleben: Stories, von Fabian Hischmann (Berlin Verlag). Dreizehn Kurzgeschichten finden sich zwischen den Deckeln des dritten Buches von Fabian Hischmann, dessen Debütroman Am Ende schmeißen wir mit Gold (2014) für den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde und dessen Kurzgeschichten bereits in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht wurden. Die dreizehn in diesem Buch versammelten Stories erzählen in knapper, schnörkelloser Sprache von Menschen aller Couleur, die an der Gegenwart leiden, die verzweifeln, und auf der Suche nach neuen Lebensentwürfen sind. Sophie etwa, die früher Benedyct hieß und unglücklich in ihren ältesten und besten Freund verliebt ist. Hischmann schreibt keine Suspense-Stories, sondern erzählt Geschichten, die sich so oder so ähnlich überall auf der Welt zutragen könnte und daraus ihre Aktualität und Wichtigkeit schöpfen.
Der Ursprung der Welt von Ulrich Tukur
Der Ursprung der Welt, von Ulrich Tukur (Fischer). Die Bücher von Ulrich Tukur sind so außergewöhnlich, exzentrisch und genial, wie die Rollen, die der Schauspieler, Musiker und Autor im Fernsehen spielt. Auf Die Spieluhr folgt nun sein neuer Roman Der Ursprung der Welt, eine Dystopie, ersonnen vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen. In Deutschland und in ganz Europa sind die Zustände im Jahr 2033 chaotisch, nationalistische Parteien sind die an die Macht gekommen, Frankreich hat sich zu einem totalitären Überwachungsstaat entwickelt. Paul Goullet scheint hier wie aus der Zeit gefallen, er liebt Kunst, Bücher und Musik. Dem Leben in Deutschland überdrüssig, reist er nach Paris und findet dort ein altes Fotoalbum aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, das sein Leben verändern wird, denn die Fotos darin zeigen offensichtlich ihn selbst.
Alle Bücher sind Rezensionsexemplare und wurden mir kostenfrei zur Verfügung gestellt.